Werner Gitt: Mein Weg zu Gott

redaktionell Prof. Dr. Werner Gitt

Nach Abschluss des Studiums in Hannover mit anschließender Promotionszeit in Aachen fing ich im Oktober 1971 bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig als Leiter des Bereiches Datenverarbeitung (jetzt: Informationstechnologie) an. Meine damalige Situation lässt sich wie folgt charakterisieren: Beruflich hatte ich gute Erfolge erlebt. Die Diplomprüfung in zwei Fachrichtungen bestand ich mühelos mit »sehr gut«, und die Doktorarbeit wurde mit »Auszeichnung« unter gleichzeitiger Verleihung der Borchers-Plakette der Technischen Hochschule Aachen bewertet. Daran schloss sich nahtlos eine leitende Stellung als Wissenschaftler an. 1966 hatte ich geheiratet, und mit unseren zwei Kindern waren wir eine glückliche Familie. Uns ging es rundum gut, denn wir kannten weder familiäre, gesundheitliche noch finanzielle Probleme. So würde manch einer denken, in solch einer Situation braucht man keinen Gott. Ich betone dies deswegen, weil ich immer wieder Zeugnisse von Menschen höre, die sich erst durch eine besondere persönliche Not für das Evangelium öffneten. Bei mir war es nicht so, denn Gottes Wege mit dem Einzelnen sind so vielfältig, wie es Menschen auf dieser Erde gibt.

Im Herbst 1972 fanden in Braunschweig zwei unterschiedlich geartete Vortragsreiheen statt, die ich zusammen mit meiner Frau regelmäßig besuchte. Eine kleine christliche Gruppe evangelisierte in der zu unserer Wohngegend gehörenden Realschule (Sidonienschule). Es war eine einfallsreiche Methode, jedem Besucher eine Bibel und einen Rotstift auszuhändigen. Zentrale Aussagen der Bibel wurden unter aktiver Mitarbeit der Zuhörer erarbeitet und alle behandelten Bibelstellen sogleich farbig angestrichen. Nach Abschluss dieser unüblichen, aber doch effektiven Verkündigungswoche durften wir die Bibeln behalten. So hatten meine Frau und ich je eine eigene gleiche Bibel, und beim späteren Lesen stießen wir häufig auf Stellen, die bereits markiert waren und somit einen gewissen Vertrautheitsgrad vermittelten.

Die andere Vortragsreihe fand nur kurze Zeit danach statt. Täglich kamen an die 2000 Personen in die Stadthalle Braunschweig. Hier standen thematisch eng gefasste, aber eindeutig auf Entscheidung ausgerichtete Botschaften im Mittelpunkt. Der Ruf zum Glauben, die Entscheidung für Jesus Christus erging allabendlich als deutlich formulierte Einladung. Bei der Vortrag von Leo Janz nach Lukas 17,33–36 kam die Wahlentscheidung zwischen Rettung und Verlorensein so deutlich zum Ausdruck, dass ich der allgemeinen Aufforderung, nach vorne zu kommen, nach der Überwindung von »Furcht und Zittern« folgte. Auch meine Frau ging mit. Einzelgespräch und Gebet mit einem Seelsorgehelfer waren sehr hilfreich, um zur Gewissheit der Rettung zu kommen. Bemerkenswerterweise gehörten unsere beiden Gesprächspartner demselben Hauskreis an, in dem wir dann auch bald mit dabei waren. Weitere Verkündigungstage in Braunschweig folgten. An einigen Abenden sprach Pastor Heinrich Kemner in der überfüllten Martinikirche. Unvergesslich ist mir heute noch seine Vortrag über die Tempelquelle nach Hesekiel 47. Durch seine vollmächtige Botschaft war ich derart angesprochen, dass ich sogleich beschloss, herauszubekommen, woher dieser originelle Mann kam. Den musste ich wieder hören! So führte mich der Weg bald nach Krelingen, dem idyllischen Heidedorf in der Nähe von Walsrode. Die folgenden Ahldener Jugendtage unter den Krelinger Eichen, aber auch die Erweckungstage prägten entscheidend mein Glaubenswachstum. Auch die Bücher von Pastor Kemner gaben mir wichtige Anstöße und wirkten auf mich in starkem Maße ausrichtend.

Nach all diesen Ereignissen, die mich zu einem vertieften eigenen Bibelstudium führten, kam ich zu einer für mich einschneidenden Erfahrung: Die Bibel ist in ihrer Ganzheit Gottes Wort und trägt das absolute Siegel der Wahrheit. Dies war ein so stabiles Fundament, das sich in allen Situationen des Lebens und Denkens als äußerst tragfähig erwies. Das schlichte Vertrauen in Gottes Wort, das ich von den Kinderstunden her kannte, gewann ich nicht nur zurück, sondern es erfuhr eine solche Festigung, dass ich bereit war, dies auch bekennend weiterzuvermitteln. Dies geschah neben dem persönlichen Zeugnis zunächst hier und da in Bibelstunden, die ich in unserer Gemeinde hielt. Die Zugehörigkeit zu einer bibeltreuen Gemeinde und das persönliche Einbringen im Gemeindeleben habe ich als unbedingt notwendig erkannt, wenn wir verbindlich zu Christus gehören wollen.

Ich durfte Jesus als den Christus, den Sohn Gottes, den Retter aus meiner Verlorenheit, erkennen. Er, der von Ewigkeit her war, kam von Gott dem Vater, wurde Mensch und erlöste uns nach einem Plan, den sich kein Intellekt ausdenken konnte. Das Neue Testament offenbart uns, dass Gott durch diesen Jesus das ganze Universum ebenso wie diese Erde und alles Leben darauf erschuf. Es ist nichts ausgenommen, denn »alle Dinge sind durch dasselbe (= das Wort, der Logos = Jesus) gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist« (Joh 1,3). Es ist nicht nur alles durch ihn, sondern auch zu ihm hin als Zielpunkt geschaffen (Kol 1,16).

Es gehört für mich zu den erhabensten Gedanken: Der Schöpfer und der Mann am Kreuz ist ein und dieselbe Person! Was hat diesen Herrn aller Herren und König aller Könige nur dazu bewogen, für mich ans Kreuz zu gehen? Mein Verstand kann dies nicht ausloten, aber Johannes 3,16 gibt mir die Antwort: Es ist seine grenzenlose Liebe, die alles für mich tat, damit ich nicht verloren gehe.

Quelle: Werner Gitt: Fragen – die immer wieder gestellt werden; Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung (CLV), 24. Aufl. 2013, S. 181–184

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